Lesestoff vii

Heute vor einer Woche wurde George Floyd ermordet. Er ist einer von vielen Hunderten, die in den USA ihr Leben lassen müssen, damit sich ein Teil der Bevölkerung sicher fühlt. Diese Sicherheit ist nur vermeintlich und beruht einzig und allein auf der Unterdrückung des anderen Teiles. Dass bisher in seltensten Fällen weder die Totschläger verurteilt wurden, noch dieses Problem systematisch angegangen wird, ist nicht lösungsorientiert. Der Vorfall hat zu empörten Protesten weltweit und zu wüsten Ausschreitungen in manchen Städten Amerikas geführt. Auch in den sozialen Medien brannte es. George war schwarz, seine Mörder sind weiss. Die meisten Reaktionen, die ich in meinem Umfeld auslöse, sind Kommentare wie „zum Glück ist es bei uns nicht so“. So viel dazu. Ich mag in diesem Beitrag nicht auf das Thema Gleichberechtigung eingehen, darüber schreibe ich schliesslich auf dieser Plattform seit Anfang an und immer wieder. Meine Anliegen spiegeln sich in allen meinen Beiträgen und Empfehlungen. In meinen Instagram Stories habe ich gefragt, ob ihr auch dieses Jahr wieder Bücherempfehlungen möchtet. Ihr meintet ja. Voilà:

Foto 01.06.20, 19 10 42

Lucia Berlin – Was wirst du tun
Letztes Jahre habe ich die Autorin bereits empfohlen. Ich mag ihre echte, trockene, tiefe, sehnende Art.

Amelie Nothomb – Mit Staunen und Zittern
Yup, im Beruf angeschrien und beschuldigt zu werden wegen Kleinigkeiten, kenne ich. Wenn auf Hierarchien gepocht wird ohne sich zu besinnen, ob denn das in diesem Moment auch wirklich Sinn macht, auch. Dafür musste ich nicht mal nach Japan.

Flannery O‘Connor – Keiner Menschenseele kann man noch trauen
Ich fragte die Verkäuferin nach Büchern im ähnlichen Stil von Lucia Berlin. Mir wurde dieses Buch mit Kurzgeschichten empfohlen. gut getroffen, die Autorin beschreibt Ausschnitte aus dem Leben von Menschen, denen es weniger gut geht als anderen, roh und derb.

Leon de Winter – Supertex
Ein Buch, das antisemitisch wäre, hätte es nicht ein jüdischer Schriftsteller geschrieben. Sehr witzig und traurig. Wie viele Bücher von jüdischen Autoren. Das Buch erschien 1996 und wenn die Zustände in der Textilindustrie damals schon so prekär waren, sind die heutigen Zustände schlichtweg unvorstellbar. Gleichzeitig bietet die Geschichte einen interessanten Einblick in unsere Konsumsucht.

Bianca Jankovska – Millennial Manifest
Die Frau spricht mir aus dem Herzen. Endlich beschreibt hier jemand, wie ich mich schon so oft und immer wieder gefühlt habe. Treffend, traurig, witzig, gescheit.

Maya Angelou – I know why the caged bird sings
Weiterbildung. Nachdem ich die Doku „And still I rise“ gesehen und empfohlen habe, musste ich dieses Buch lesen. Es hilft uns Europäer*innen, sich vorzustellen, wie es ist, wenn gewisse Rechte nur für eine gewisse Schicht von Menschen gelten. Wenn wir unser Leben mit den denkbar schlechtesten Startbedingungen anfangen. Sich machtlos zu fühlen. Mehr Verständnis zu entwickeln.

Sophie Passmann – Alte weisse Männer
Der Fakt, dass solche Bücher verlegt werden spricht dafür, dass mehr Leute als nur die Autorin und ich der Meinung sind, dass noch viel mehr gehen muss in Sachen Gleichberechtigung. Viel viel mehr. Superwitzig, sehr gescheit und voller brauchbarer Argumente. So brauchbar, dass ich zum aller ersten Mal in meinem Leben Sätze unterstrichen und die entsprechenden Seiten noch mit post-its versehen habe. Danke, Frau Passmann, eine Wucht.

Sayaka Murata – Conbini store woman
Grosses Kino. Wieso ich japanische Bücher früher schräg fand, weiss ich nicht mehr. Das Portrait der (mir sehr sympathischen und aus dem Herzen sprechenden) Frau, die so völlig aufgehoben im vorgeschriebenen gesellschaftlichen Alltag ist und daher mit ihrer Aufgabe verwächst, ist auf jeden Fall lesenswert. Und witzig. Und bös.

LESESTOFF vi (2018)
LESESTOFF v
 (2017)
LESESTOFF iv
 (2016)
LESESTOFF iii (2015)
LESESTOFF ii (2014)
LESESTOFF i (2013)

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