MEHR STÄDTEREISEN IN EUROPA: LISSABON – ORTIGIA (SIZILIEN) & GENUA – BUKAREST – MADRID – HELSINKI – AMSTERDAM – WIEN – PORTO
Das war jetzt eine Zangengeburt, dieser Eintrag. Eine regelrechte Schreibblockade. Das hat bestimmt am Wetter gelegen, denn seit letztem September litten wir unter Permafrost und dann – über Nacht – herrschten zwei Wochen lang 48°. Nun gut, wir sind zurück beim guten alten Regen und das Hirn regt sich. Alors maîtenant, alons-y.
Il faut tomber une fois amoureux à Paris pour tomber amoureux de Paris. Sagt man. Das muss der Grund sein, weshalb ich nicht warm werde mit diesem Paris. Hab mich nie verliebt. Dort. Weder in einen Mann noch in die Stadt. Ich war verliebt, damals. Aber wie das so ist mit der ersten grossen Liebe, man streitet oder schmust. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich mit dem Tour Eiffel, den Museen oder sowas Läppischem wie dem Arc de Triomphe abzugeben.
Dann beim zweiten Mal waren wir knapp 20, hatten gerade die Lehre abgeschlossen und fanden uns très weltgewandt. Wir trugen Karohemden, Rollkragenpullover, Cordhosen und Doc Martens, wie es die knapp 20jährigen diesen Frühling eben wieder zu tun pflegten. Und wir gaben uns wirklich Mühe: kleines Hotel, Croissants, Weisswein. Irgendwie kann ich mich trotzdem nur an Shopping erinnern. Obschon das ja eher untypisch ist. Weil Französinnen haben von Geburt an die tollsten Kleider im Schrank. Welche sie sich frühmorgens ganz (!) ohne (!) Überlegen (!) überwerfen und so dann die ebenfalls einwandfrei angezogenen Kinder im Hort abliefern. Besagte Kinder verfügen naturgemäss über einwandfreie Manieren und essen immer (!) alles (!), was auf den Tisch kommt. Und dann die Frisuren. Nein, die essen nicht alles, was auf den Tisch kommt. Die sind einfach toll. Und entstehen durch locker legères Wuscheln und ohne (!) einen (!) Blick in den Spiegel. Das Haar endet dann in den total natürlich aufgehellten Spitzen. Weil ja alle (!) Französinnen jedes (!) Wochenende in ihrem eigenen (!) Haus am Meer verbringen. Nachdem ich seit 2009 Garance Doré’s Blog verfallen bin und folglich glaubte, ALLE Französin laufen JEDEN Tag bei JEDEM Wetter top angezogen durch die Strassen – und sei es auch nur, um sich eine Baguette unter den Arm zu klemmen – kriegte ich schwere Minderwertigkeitskomplexe.
Nun waren wir also zum dritten Mal in der Stadt der Liebe und la réalite grüsste uns. Bien sûr, es gibt Pariserinnen, die sind tatsächlich sensationell gut angezogen (wobei sich einige von ihnen bei genauerem Betrachten dann als Zürcherinnen herausstellten. War irgendeine Modemesse. Hipster internationelle halt). Allerdings wirken hochgezogene Schultern, rote laufende Nasen und zittriger Stechschritt nur mässig scharf. Also war das Ego in kurzer Zeit wieder aufgemöbelt und die Verhältnisse hergestellt. Wir können nicht alle Laetitia sein. Unsereins ist mittlerweile schweren Herzens vernünftig genug, die eine unförmige Jacke über der anderen wärmenden zu tragen, den Schal bis ans Kinn zu binden, die Mütze richtig aufzusetzen und dahingehend ein bisschen wie ein Pinguin zu wackeln (die abstehenden Arme).
Nein, wir dachten nicht, Mitte Januar sei die geeignete Jahreszeit für eine Städtereise. Aber allen guten Dinge sind nun Mal Drei und wenn eine Freundin Geburtstag feiert, ist das alleweil ein Grund, hin zu fahren. In 4:03 Stunden. Züri HB – Paris Gare de Lyon. Vergiss fliegen. Die Freundin holte also gerade ein bisschen nach, was unsereins ohne gut bezahlten Bankjob bereits in früheren Dekaden hinter sich brachte. Frei sein. Andere Länder, Männer und Sitten kennen lernen. Sich in der Fremde behaupten. Das tut gut. Das bildet. Jedenfalls fühlten wir uns alle doch wieder ein bisschen wie 25 und schliefen zu Dritt im selben Bett um Geld zu sparen. Zmizt im Marais. Gleich ums Eck die Bar Les Philosophes und das sensationelle Teehaus Frères Mariage. Jetzt und hier fahren ja alle auf diesen neumödigen Kusmi ab. Chasch vegässe. Mariage Frères sage ich. Leider tanzt man nicht in Paris, haben wir uns sagen lassen. Man trinkt, man redet, man küsst. Sehr intellektuell halt, tu sais. Ich tanze lieber.
Die französische Küche ist ja weltbekannt. Füwaschowider? Denn diese Küche ist nicht meine. Geht jemand als Teenager wo anders hin als Cap Ferret und Biarritz? Und isst dort was anderes als Sandwich Crudité? Also, ich kannte nur das, les Moules und die geilen Pommes. Man kann schliesslich nicht jeden Tag eine Ente essen. Oder Steak Haché. Besagte Küche ist also eher fleischlastig, saucig und schwer. Genusserschwerend hinzu kommt – zumindest im Winter – die Bausubstanz der Gebäude. So mächtig prächtig sie von aussen scheinen, so lotterig und schlecht isoliert sind sie. Und in der Daunenjacke dinieren ist einfach nicht sexy. Freund Apéritif half da ein bisschen. Und Freundin Glück war auch mit uns. Wie es der Zufall am ersten Abend so wollte, waren wir klitzekleine 60 Minuten verspätet und der reservierte Tisch im offene-Küche-und-hohe Flamme-Restaurant bereits vergeben. Die eher tristen Alternativen waren der Quotenitaliener und der obligate Macdo bei der Metrohaltestelle. Aber halt, da war doch noch was Kleines auf dem Hinweg? Die Unscheinbaren sind oft die tollsten, wissen wir ja fängs. Gleich wurde also ein Tisch freigemacht und da wir nicht die Hälfte der Karte verstanden, überliessen wir dem Service die Wahl und verzehrten ein vorzügliches Mahl im Bistrot de l’Alycastre (2 rue Clément, 75006). Mais non, sie haben keine Website, die konzentrieren sich auf Wichtigeres. Und ich hab kein Foto, weder vom Lokal, vom Essen, noch von sonst was. Es war wahrscheinlich zu kalt. Das Schoggiküchlein auf dem Foto soll die Unverhältnismässigkeit veranschaulichen, welche wir empfanden, als wir EUR14 dafür bezahlten. Immerhin, es war gut. Wie auch die Kulisse. Das darf man erwarten in den Galeries Lafayettes. Abends dann waren wir in Alain Ducasse’s Aux Lyonnais im 2. Arrondissement. Abgesehen vom allgegenwärtigen frösteligen Zug feierten wir hier schön und teuer den Geburtstag der Freundin. Ich war nicht sicher, ob das Restaurant auf alt gemacht ist oder es vraiment überall bröckelt und Verputz rieselt. Jedenfalls haben sie dort einen fantastischen Plättliboden, wunderschöne Lampen und einen unschlagbaren Service. Diese Atmosphäre muss erst übertroffen werden. Weil man sich mit einem Kater am besten an der frischen Luft bewegt und etwas Fettiges und Salziges zu sich nimmt, und es ja, hallo, eine Städtereise zu absolvieren galt, erklommen wir frühmorgens tapfer die Stufen zum Sacré-Cœur, welches romantisch verhangen in den grauen Wolken zu schweben schien. Von der Aussicht kann ich leider nicht berichten, sie war nicht da. Der Schneesturm, ihr erinnert euch. Nach diesem erquickenden Spaziergang gönnten wir uns das bisher beste Frühstück unseres Lebens (siehe Foto oben). Und das war nur der erste Gang. Zu diesem Zeitpunkt überlegte ich mir ernsthaft, der Stadt doch noch eine Chance zu geben. Denn auf dem Weg in das Lokal passiert man das Folie Bergères, wo es ein bisschen Geschichte mit Biss zu schnuppern gäbe. Wir werden sehen, ihr erfahrt davon. Wo sollte ich eurer Meinung nach unbedingt hin, sollte ich doch wieder ein paar Tage in der Seinestadt verweilen?
Ach, mein Küchlein für 14 Euro, ein wahrgewordener Vanilletraum! Es hat sich gelohnt