Winterspeck I

Zum zweiten Mal fand die Slow Food Messe im Stadthof 11 statt. Letztes Jahr besuchte ich sie mit meinem Mütti, also taten wir dieses Jahr dasselbe. Der Vater wurde zu diesem Zweck an die Auto Züri nebenan im Hallenstadion verfrachtet. In Sachen Essen, Kochen, Geniessen ist die komplette Familie mütterlicherseits meine Nr. 1. Obwohl wir uns nicht in allen Themen einig sind (Sushi, Gewürzmischungen, Caramelchöpfli) ist sie bestimmt der Grund für meine Liebe zum Herd. Immerhin sah ich ihre verschiedenen Vertreterinnen als Kind an ebendiesem täglich mindestens zweimal stehen. Es gibt also wenige andere, die mit derselben Begeisterung und Ausdauer durch so einen Markt laufen können. logo Anfänglich lauschten wir voller Hingabe den Schilderungen der Standbesitzer und Hersteller, wie sie noch jede Zwetschge sorgfältig von Hand ab dem Hochstammbaum pflücken. Nach der vierten, äusserst detaillierten Wiederholung über Auswahl, Aussaat, Ernte, Sortierung, Lagerung sowie Weiterverarbeitung ging uns allerdings die Puste bereits aus und wir blieben ab diesem Zeitpunkt höflich lächelnd einen halben Meter hinter dem Zuhörer vor uns stehen. Degustiert kann ziemlich alles werden und in den meisten Fällen schmeckt es auch. Ich verfüge ja über diese (typisch schweizerische?) Eigenschaft, dass ich mich verpflichtet fühle zu kaufen, sobald ich probiere. Also schüttle ich manchmal den Kopf, obwohl ich nicken sollte. Ich arbeite dran.

Es hat noch nicht so viele Weinhändler wie an der langweiligen Gourmesse im Kongresshaus, aber sicher sind alle bekannten Käsehersteller vertreten sowie Produzenten, deren Ware beim Grossverteiler erhältlich ist. Das Engagement dieser für Bergbauern wird hinreichlich vermarktet und ist eine gute Sache. Gerade eben berichtete das grosse M, dass dank den Genossenschaftern (also uns!) ein paar Kühe von der Alp Sowieso auch diesen Winter genug Futter haben um uns nächstes Jahr mit einer neuen Bergkräuter-Rinden-Käsesorte zu beglücken.
slowfoodgoodiesDie Perlen sind die kleinen Hersteller, die mit liebevoll hergestellten Feinheiten oder neuen Produkten aufwarten:

Alex und Brendon zum Beispiel, Kleinunternehmer sowie -familie von Premsoul sind zwei schöne Herzen, die mit Frische und Begeisterung ihren Chai-Tee unter die Leute bringen. Nicht, dass Chai-Tee ein gänzlich unbekanntes Produkt ist, aber die beiden produzieren und verkaufen nur in kleinen Mengen und kennen ihre Gewürzlieferanten von früheren Reisen in Indien. Ausserdem find ich all die Orte, wo es ihren Tee gibt, sympathisch und charmant.

Dann der Roman von der Haltbarmacherei. Sensationell. Sirup. Damit kriegst mich rum. Ein innovativer ästethischer junger Mensch, dessen Produkte halten, was sie versprechen. Und der einen bestimmt jeden Sirup probieren lassen würde, wollte man dies denn. Hier ein kleiner Auszug aus seiner Website, weil es so schön geschrieben ist: „Jedes Aroma ist unverfälscht und auf den Punkt gebracht. Mit so wenigen Zutaten wie möglich das Maximum rauszuholen, das ist seine Devise. Ganz ohne Chemie oder irgendwelche Tricks ist die Produktpalette der Haltbarmacherei so vielfältig und spannend, wie nur die Natur sein kann.“

Den Stand geteilt hat er sich mit der grossartigen Sara Hochuli von Les Gourmandises de Miyuko. Ausser, dass ihre Torten fantastisch aussehen, schmecken sie auch so. Bei ihr wird niemand schief angeschaut, wer glutenfrei oder vegan bestellen möchte. Im Gegenteil, Sara freut sich über alles Aussergewöhnliche und macht sich einen Spass daraus, Neues zu probieren und kreieren. In ihrem hübschen Café im hübschen Kreis 6 kann man brunchen. Oder einfach ein bisschen mit offenem Mund vor dem Schaufenster stehen.

Dann meine Heldin Ruth, die getrocknetes Gemüse und Früchte anbietet, bei denen einem das Herz aufgeht. Ruth selbst ist eine so warme, freundliche und charmante Person, dass ich mir einbilde, ihre Liebe in den Produkten zu schmecken. Ich könnte bei ihr gut und gerne den gesamten Inhalt meines Portemonnaies liegen lassen. Gut und gerne.

Dann der vermeintlich grobschlächtige Sälmi Töngi von der Alpkäserei Gerschnialp, der uns galant wortgewandt und höflich überzeugend den besten Raclettekäse verkaufte, den es geben muss. Dieser Schmelz! Ja, hab ich geklaut. Vom Sälmi. Ich schwelge noch täglich in Erinnerung an den Käse. Und ein bisschen an Sälmi. Mein Vater und Tenderoni fanden, man schmecke das Stroh im Stall. Aber positiv. Erst als ich die Website der Gerschnialp besuchte und die Fotos sah, fiel mir auf, dass ich daran bestimmt schon 78 mal vorbei gewandert bin.

Dann, zu guter Letzt, noch der nette Herr im beigen Anzug und den stereotypen Kopf- und Handbewegungen, die ich Unwissende mit Indien verbinde. Ich behaupte ja, dass ich eine ganz grosse Liebhaberin und Kennerin von Eistee bin (nebst Sirup versteht sich). Im 2006 haben wir am Gurten Festival einen Sensationellen gekauft, aber seit damals nie mehr gesehen. Also, falls jemand in Bern und Umgebung weiss, ob und wo es den zu kriegen gibt (blaue Flasche, gelber Deckel, glaubs mit Mate drin)? Aber zurück nach Zürich zum Ayurveda ICE TEA, der in allen Coop Megastores und hoffentlich auch bald im Quartierladen meines Vertrauens verkauft wird. Ziemlich süss, aber gut.

Gurten06 Im Vorfeld der Messe erstand ich das Buch Das kulinarische Erbe der Alpen von Autor Dominik Flammer und Fotograf Sylvan Müller. Die Herren gaben des abends noch eine Vernissage, da hatten wir aber schon genug von der Luft in der Halle (draussen herrschte eitel Sonnenschein). Meine liebe Freundin Ronja von Akari Taste (ja, ich bin auch neidisch auf ihren Nachnamen) hat mich überhaupt auf das Buch und die tolle Plattform wemakeit.ch aufmerksam gemacht – und! – das Buch für mich abgeholt. Mit Signatur der o.e. Herren. Hach.

Nach all den Eindrücken wollten mein Mütti und ich uns dann noch einen Kaffee gönnen. Den gab es allerdings nur im Keller, was bei dem schönen Wetter nun wirklich nicht ging. Also trotteten wir mit vollen Rucksäcken, rauchenden Köpfen und leeren Portemonnaies zufriedenst im herbstlich goldenen Sonnenschein nach Hause.

SLOW FOOD MARKET 2013

2 Gedanken zu „Winterspeck I

  1. … und was hatte der Vater in seinem Rucksack, als er nach Hause trottete? Liebe Grüsse von einer Verwandten (mütterlicherseits;-))

    1. gute frage, liebe T. das wird er uns wohlweislich absichtlich verschwiegen haben. ich tippe auf ein paar kataloge und – ganz unauffällig dazwischen – ein modellauto. das 3850ste in der sammlung. liebe grüsse.

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