Ihr wollt nicht unbedingt etwas zu den Tagesaktualitäten lesen. Wie ich das weiss? Gar nicht. Ich interpretiere es. Meine Interpretation basiert auf einer Umfrage in meinen Instagram Stories. Diese war 24 Stunden online und es haben sich rund 50 Personen daran beteiligt. Reicht das, um eine fundierte Aussage zu machen? Oder habe ich über einen zu kurzen Zeitraum zu wenige Leute auf zu wenigen Kanälen befragt? Ziemlich sicher Zweites. Aber weil das Ergebnis meinem eigenen Wunsch entgegenkommt, lege ich dieses entsprechend aus. So in Etwa geht das mit den Zahlen und deren Kommunikation.
Aber weshalb keine Tagesaktualitäten? Weil sie oberflächlich sind und uns in Schockstarre verharren lassen. Einerseits gefallen mir gewisse Formulierungen nicht (z.B. im SRF: „wird sich das Tessin jemals vom ausgebliebenen Ostertourismus dieses Jahr erholen?“) und andererseits wundern mich die gezeigten Grafiken (was will mir dieser eine Strich von unten links nach oben rechts zu Neuerkrankungen oder wahlweise Toten der letzten beiden Tage mitteilen?). Weil halt die Medien auch nur ein Geschäft sind, müssen sie trotz dankbaren Coronaviruszeiten hauptsächlich für Einschalt- und Lesequoten sorgen. Sauberes Recherchieren und sinnvolles Schreiben ist schlecht bezahlt. Da verspricht eine dreistellige Nummer in Verbindung mit dem Wort „tot“ oder „Krise“ natürlich mehr Klicks als „Chance“, „Umdenken“ oder bedingungsloses Grundeinkommen. Obwohl wir uns gerade jetzt genau zu diesem Thema intensiv Gedanken machen sollten.
Nun aber weiter zum Unterhaltungsteil dieses Newsletters. Euch unterhalten ist ja schliesslich mein ausgesprochenes Ziel. Hier also eine Reihe von Dingen, Texten, Bildern, die mir die letzten Wochen begegnet sind und die euch während der Selbstisolation und hoffentlich auch danach im Alltag zum angeregten, genussvollen Nachdenken animieren:
The Big Short – Ein Film der uns hilft zu erinnern, dass Covid-19 nur der Auslöser für die derzeitige Krise ist. Die Ursache sind wir Westler und unser absurder Konsum.
Ausmalbilder – Diese wunderschöne Idee wird kostenlos zur Verfügung gestellt von den grosszügigen Schweizer Illustrator*innen. Überhaupt nicht nur für Kinder.
6% citric acid – Prokrastination in ihrer schönsten Form. Danke dafür, Rachel.
Yellowstone – In diesem Film wird gezeigt, wie komplex und sensibel die Natur ist, wie fein alles aufeinander abgestimmt ist und wie sehr wir alle in ein System eingebunden sind. Wir sollten unserer Welt Sorge tragen.
Ski Movie und Flötenspiel – Zuhause bleiben macht kreativ.
Refill the Shelf – „Zuhause bleiben“ funktioniert aber nur für einen Teil der Bevölkerung. Für andere (Obdachlose, Geflüchtete, Asylsuchende, Sexarbeiterinnen) gibt es weder ein Zuhause noch ist es ihnen möglich, den nötigen Abstand zu halten. Damit sie unter den derzeit äusserst prekären Verhältnissen trotzdem existieren können, hat Caritas diese Initiative lanciert. Spenden statt hamstern.
The Great Empty – Viele von uns waren schon an vielen dieser Orte. So wie im Artikel abgebildet, haben wir sie aber sicher noch nie gesehen.
Eye on Design – Den Newsletter dieser Plattform habe ich vor Kurzem abonniert. Kommt schön daher und ist gefüllt mit gescheitem Inhalt. Meine liebste Kombi.
Mona Chalabi – Eine Datenjournalistin und Künstlerin, die die komplexe Welt der Zahlen in ansprechenden und leicht verständlichen Zeichnungen abbildet.
Chinese Whiskers – Bilder von Katzen in Läden in Hong Kong. Obergut.
Ich hoffe, dass sich viele von euch, sehr verehrte Leserinnen und Leser, in einem komfortablen Angestelltenverhältnis befinden und (schlimmstenfalls) auf Kurzarbeit umstellen müssen. Viele von euch sind selbstständige Einzelunternehmende und führen kleine Geschäfte (alle Verlinkungen dazu siehe HIER und HIER und HIER). Bisher kamt ihr mehr oder weniger gut über die Runden aber dieses klaffende Loch, das sich hier gerade auftut, wirkt beängstigend und existenzbedrohend. Ich wünsche mir, dass ihr tatsächlich unterstützt werdet, weil Klatschen auf dem Balkon und Videos teilen auf den sozialen Medien hat halt noch nie einen Mietzins bezahlt. Ich bin sogar so naiv, dass ich mir vorstelle, alle Leute, die das hier lesen, hätten per sofort aufgehört, bei Amazon und anderen Versandhäusern zu bestellen und würden nur noch im Quartier einkaufen.
Und jetzt nochmal zurück zur Umfrage, die ja zwecks dieses Newsletters durchgeführt wurde. Reaktion Nr. 1 war „ESSEN“. Ich interpretiere auch hier: es sind Rezepte gewünscht und/oder Alternativen zum Einkauf im Supermarkt? Rezepte findet ihr auf meinem Blog noch und nöcher. Viele kleine Betriebe haben extrem schnell, flexibel und kreativ reagiert und in kurzer Zeit Onlineshops aus dem Boden gestampft. Ansonsten ruft einfach an und fragt, was machbar ist, die meisten liefern auch. Eine kleine Auswahl an Einkaufsalternativen: Sammelliste Grundversorgung von Slow Food Youth Schweiz, Chum Chum (Käse, Brot, Schoggi online bestellen und abholen), Metzg (Fleisch, Wein, Mehl oder Kimchi online bestellen und abholen), Gebana hat eine Liste von Schweizer Bauernfamilien zusammengestellt. Und wer sich auf Drinks an lauen Sommerabenden freut, kann sich bei ichfreumi.ch ihr/sein Glas reservieren.
Shopping vermisse ich in dem Sinne nicht. Aber die Brockitouren oder der wöchentliche Marktgang und der eine oder andere Restaurantbesuch in guter Gesellschaft fehlen mir. Ausserdem die Umarmungen mit meinen Liebsten und die doofen Witze meiner Arbeitskolleg*innen in der Kaffee- oder Mittagspause. Bedenken habe ich, dass der in den letzten Wochen oft erwähnte „Ruck durch die Gesellschaft“ eher die bereits vorhandene Schere bleibt, die Arm und Reich durch die jetzige Lage weiter aufreisst (hier dazu ein ausführender Artikel. Übrigens stellt die WOZ zurzeit alle ihre Texte kostenlos zur Verfügung).
Bis zum Nächsten,
Nina
PS: Alle Glitzerfotos in diesem Newsletter sind von der Künstlerin Sara Shakeel.
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